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Was sich in der medikamentösen Behandlung von Corona-Patienten entwickelt hat

Nicht nur im Klinikalltag und auf Station hat sich in Zeiten von COVID-19 viel verändert, sondern auch in der Forschung. Frau Prof. Dr. Susanne Herold, Abteilungsdirektorin für Infektiologie des Universitätsklinikums Gießen und Professur für Infektionskrankheiten der Lunge an der Justus-Liebig-Universität Gießen, arbeitet mit ihrem Team an einer Studie, die das Leid von Corona-Patienten mit Hilfe von Medikamenten mindern soll. Wir fragen im Interview bei ihr nach, wie Patienten therapiert werden können und wie die Forschung bereits vorangeschritten ist.

FRAU PROFESSOR HEROLD, WIR BEOBACHTEN EINE ANSTEIGENDE ANZAHL VON CORONA-NEUINFEKTIONEN. WIE SEHEN SIE DIE BEHANDLUNG DER COVID-19-PATIENTEN?

Hinsichtlich der Behandlung von Corona-Patienten haben wir viel gelernt seit März. Wir können Verläufe und COVID-19 selbst viel besser einschätzen. So wissen wir zum Beispiel, dass die Krankheit zu einer Beteiligung der Gefäße führen kann – nicht nur in der Lunge, sondern möglicherweise auch im gesamten Körper. Was da genau passiert, ist noch Gegenstand der Forschung.

UND WIE KÖNNEN CORONA-PATIENTEN THERAPIERT WERDEN?

>> Wir setzen in der Therapie derzeit drei Medikamente ein, die von den meisten Fachgesellschaften empfohlen sowie in klinischen Studien auf ihre Wirksamkeit geprüft wurden und sich bewährt haben. <<

Ein vielfach verwendetes Medikament sind Gerinnungshemmer. Da Patienten häufig aufgrund der Erkrankung zusätzlich Thrombose oder sogar eine Embolie bekommen, wird ihnen dieses Medikament verabreicht.

Eine zweite wichtige Therapiestrategie ist die Behandlung mit Kortisonabkömmlingen, z. B. dem Dexamethason. Das ist ein Medikament, das die ausgeprägte Entzündungsreaktion vor allem bei Patienten, die auf der Intensivstation behandelt werden, mildern kann. Wir nutzen das Medikament bei solchen Patienten, die ganz schwer erkrankt sind – natürlich unter Abwägung der Vorerkrankung und der Situation des Patienten. Es hat sich gezeigt, dass dieses sogar die Sterblichkeit senken kann.

Eine dritte Therapiemöglichkeit ist ein antivirales Medikament, das Remdesivir. Es hemmt oder verhindert, dass sich das Virus im Körper vermehrt. Ursprünglich wurde dieses gegen Ebola konzipiert. Jetzt hat sich beim Einsatz gegen Corona gezeigt, dass zumindest die Schwere der Erkrankung reduziert werden kann. Wir verwenden das Remdesivir insbesondere bei Patienten, die sauerstoffpflichtig sind.

WAR DIE BEHANDLUNG MIT DIESEN MEDIKAMENTEN FÃœR DIE FORSCHUNG HILFREICH?

Ja, das sind alles Ergebnisse, die uns jetzt in der Behandlung der Patienten weitergeholfen haben. Dennoch muss man sagen, dass Corona bei manchen Patienten eine sehr schwere Erkrankung ist. Wir sind mit Therapien noch nicht am Ziel. Es besteht weiterhin Forschungsbedarf und es gibt auch intensive Forschungen an neuen Therapien. Sie versuchen zum einen, die Virusaufnahme zu hemmen, wie z. B. durch Antikörper, die sich an das Virus binden können. Auch an weiteren antiviralen Medikamenten und vor allem an Medikamenten, die die Entzündungsreaktionen im Körper beeinflussen oder lokal in der Lunge die Immunabwehr verbessern können, wird geforscht. Hierfür gibt es zum Beispiel eine große Studie, die im Deutschen Zentrum für Lungenforschung angelaufen ist.

AUCH SIE FORSCHEN GERADE AN EINEM MEDIKAMENT. WORAUF BAUT DIESES AUF?

Bei der Suche nach Medikamenten gegen neue Krankheitserreger wie das Coronavirus bietet es sich an, in dem bereits vorhandenen Wirkstoff-Arsenal vielversprechende Kandidaten zu identifizieren und deren Potenzial für die Therapie von COVID-19 zu untersuchen.

>> Unser Ansatzpunkt ist ein natürlicher Botenstoff. Aus präklinischen Studien wissen wir, dass dieser eine wichtige Rolle bei der Abwehr von Bakterien und Viren in der Lunge spielen und Gewebeschäden verhindern kann. Es ist bereits bekannt, dass das Protein Schädigungen des Lungengewebes abwenden kann. <<

Der Botenstoff beeinflusst die Bildung und Aktivierung bestimmter Immunzellen und beschleunigt gleichzeitig die Reparatur der geschädigten Lunge. Das Medikament soll die Verschlechterung einer Lungenentzündung bei COVID-19-Patienten vorbeugen und ein akutes Lungenversagen verhindern. So geht es anders als bei einer Impfung nicht darum, vor einer Corona-Infektion zu schützen, sondern einen dramatischen Krankheitsverlauf zu vermeiden. Patienten sollen zum Beispiel nicht künstlich beatmet werden müssen.

WIE NIMMT DER PATIENT DEN WIRKSTOFF EIN?

Mit einem Inhalationsgerät gelangt das Protein über die Atemwege bis tief in die Lunge. Dort aktiviert es die Abwehrzellen der Lunge, die sogenannten Makrophagen. Diese sollen das Virus dann besser bekämpfen können. Gleichzeitig aktiviert das Medikament aber auch die Lungenzellen selbst. Die geschädigten Zellen sollen sich also von alleine reparieren. Wir hoffen, dass der Wirkstoff dann die Immunabwehr der Lunge verbessert, die Regenerationsfähigkeit des Lungengewebes beschleunigt und damit die Notwendigkeit einer künstlichen Beatmung verhindern kann. Wir testen somit, ob die Inhalation des Wirkstoffs Molgramostim den Krankheitsverlauf von Corona-Patienten mildern kann.

UND WIE GEHT ES JETZT MIT DER WIRKSTOFFFORSCHUNG WEITER?

>> Um zu schauen, ob das Medikament bei Corona-Patienten wirklich wirkt und um Nebenwirkungen auszuschließen, startete die Justus-Liebig-Universität Gießen im September 2020 eine klinische Studie. Circa ein Jahr lang soll das Medikament an circa 200 Probanden getestet werden.  <<

Gerade werden die ersten Patienten für eine mögliche Teilnahme an der Studie gescreent. Unterstützt wird die Studie vom Bund mit über 1,8 Millionen Euro.

Wir arbeiten also mit Hochdruck weiter an der Forschung. Denn wir sehen die Entwicklung von Medikamenten gegen COVID-19 als besonders bedeutend, vor allem da es noch keinen Impfstoff gibt. Und auch wenn andere Forscher irgendwann einen Impfstoff haben, ist ein Medikament wie dieses wichtig. Die kleinen Proteine könnten Menschen weltweit helfen – auch denen, die sonst keinen Zugang zur Impfung haben, bzw. bei denen Impfungen wegen Begleiterkrankungen nicht oder nicht so gut wirken.

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